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Sahara-Felskunst: Formenreichtum, Stilvielfalt
Stilvergleiche bei Grosswild (Umzeichnung)
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Verschiedene Felszeichnungen des Bubalus (Bubalus antiquus) weisen naturalistische beziehungsweise realistische Züge auf, die übrigen Tiere (Elefanten, Nashörner) eher einen Zug ins Dekorative. Im Allgemeinen sind es kaum schematische Darstellungen, sondern einzigartige Formerfindungen. Menschendarstellungen (siehe eigenes Album) sind im Vergleich dazu viel einfacher im Ausdruck und beschränkter in formaler Hinsicht. Dieser Unterschied deutet vielleicht auf die Einstellung der Menschen zu den Tieren und im Besonderen zu ihren Herden hin.

In den Tierdarstellungen treten im historischen Ablauf zuerst die Grosswildarten auf, dann die Rinderherden, zuletzt der Mensch. Könnte daraus die Entwicklung in der Selbstwahrnehmung des Menschen gesehen werden? Eine offene Frage.

Bei den Grosswilddarstellungen drängt sich die Feststellung auf, mit wieviel Nachdruck die Sahara-Künstler versucht haben müssen, mit einfachen Mitteln Körper- und Raumeindrücke zu erzielen. Die Art, auf verschiedenen Bubalus-Zeichnungen ein Horn um 90° nach vorne zu klappen, um auf diese Weise eine grossartige formalen Lösung für die Hörner zu finden, zeugt von einem sicheren und überraschenden künstlerischen Willen. Andere Mittel, um Räumlichkeit zu gewinnen, sind Dreivierteldarstellungen oder doppelt Linienführung.

Diese Zeichnungen als „primitiv“ abzutun, könnte ein gewaltiger Irrtum sein.

Bei den stilistischen Vergleichen von Tierdarstellungen gehen wir auf Bubalus (vor etwa 5000 Jahren ausgestorbene Büffelart, Bubalus antiquus oder Syncerus caffer antiquus), ferner Nashorn, Elefant und Giraffe ein.

Die Entstehung der Felszeichnungen reicht in vorislamische Zeit, als die Menschen, die vor tausenden von Jahren in der heutigen Sahara lebten, eine Sprache suchen, um sich mitzuteilen und ihre Vorstellungen von sich und der Welt zu überliefern.

Wir wissen nicht, was die Menschen bewogen hat, Menschen und Tiere, seltener Geräte und abstrakte Zeichen, auf den Felsenwänden des Messak festzuhalten und dauerhaft zu hinterlassen, aber wir können und müssen mit dem geschärften Kunstverstand von heute ihre künstlerischen Fähigkeiten und den Reichtum der Formenvielfalt bewundern.

Die Zeichnungen des Bubalus weisen in der überwiegenden Zahl naturalistische beziehungsweise realistische Züge auf, die übrigen Tiere dagegen eher einen Zug ins Dekorative. Im Allgemeinen sind es alles andere als schematischen Darstellungen, sondern einzigartige Formerfindungen. Menschendarstellungen sind im Vergleich dazu viel einfacher und in formaler Hinsicht beschränkter. Dieser Unterschied deutet vielleicht auf die Einstellung der Menschen zu den Tieren und ihren Herden hin.

Der formale Lösung für die Tierwiedergaben lässt auf eine äusserst genaue Beobachtung des Körperbaus der Tiere schliessen. Von Abbildungen im Sinn von Kopien kann man dennoch nicht sprechen. Jede einzelne Tierdarstellung ist eine individuelle, für die betreffende Zeichnung zur Grunde gelegte Formfindung.

Während zum Beispiel die Volkskunst in Appenzell oder im Toggenburg auf einem verhältnismässig reduzierten Formenkatalog, sozusagen auf repetiven Standardformen, beruht, scheinen die Schöpfer der Messak-Felszeichnungen mit den Formen zu spielen und zu experimentieren, als würde es sich um ein künstlerisches Laboratorium handeln. Schwieriger wird die Analyse dann, wenn zwei Darstellungen übereinander zu liegen kommen.

Vor allem die wechselnden Perspektiven verdienen die grösste Aufmerksamkeit. Manchmal sind die Tiere von der Seite dargestellt, manchmal perspektivisch, häufig aber auch in einer überraschenden mehrperspektivischen  Kombination von beidem.

 

Damit waren die Menschen, die sie gezeichnet haben, der europäischen Kunst weit voraus, wo die Perspektive erst von der Renaissance an vorkommt. Die grosse Schwierigkeit bestand für sie darin, mit einfachen Linien Körper- und Raumvorstellungen zu erzielen, was in der Malerei mit Farben, mit Hell- und Dunkelkontrasten, leicht zu realisieren ist. Ganz besonders auffallend sind die zahlreichen Versuche, mit einfachen Mitteln einen räumlichen Eindruck zu erzielen.

Auch die Art, auf verschiedenen Bubalus-Zeichnungen ein Horn um 90° nach vorne zu klappen, um auf diese Weise eine grossartige formale Lösung für die Hörner zu finden, zeugt von einem sicheren künstlerischen Willen.

 

Dass wir bei einzelnen Darstellungen einen grossen Bogen zu

Pablo Picasso  

 

Marcel Duchamp  

 

Keith Haring  

 

oder zum Kubismus  

 

schlagen, mag willkürlich sein. Vielleicht aber haben wir es hier mit archetypischen Formideen zu tun, die tiefer sitzen als Traditionen und historische Entwicklungen und über geografische Räume hinausgreifen. 

Es bleibt ein Rätsel, wie diese künstlerische Perfektion erreicht worden ist. Obwohl die Menschen wegen der Distanzen kaum grossen Kontakt untereinander gehabt haben dürften, kann man von einem grossen, zusammenhängenden Kulturgebiet sprechen. Eine Hochkultur ist es nicht unbedingt gewesen, aber über eine hoch entwickelte Kunstsprache haben die Menschen eindeutig verfügt, und dies sofort von dem Augenblick an, an dem die ersten uns bekannten Zeichnungen entstanden sind. Wie hoch der bewusste Anteil an diesen Kreationen war, lässt sich kaum entscheiden. Es wäre zu schön, wenn wir es wissen könnten.

Im Album "Stilvergleiche bei Grosswild" gehen wir auf eine Anzahl Darstellungen im Detail ein.

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