Rinderherden als Zeichen des Wohlstands

Das Auftreten von Zeichnungen mit der Darstellung von Rindern zeigt an, dass die Zeit der Grosswildjagd beziehungsweise der Jäger und Sammler vorbei ist oder die Jagd nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat. Die Menschen sind in der libyschen Sahara nun zu Hause und mit den Verhältnissen vertraut. Sie haben mit der Rinderzucht und der Domestikation von Haustieren begonnen. Für die Entstehung der Rinderzeichnungen kommt der Zeitraum von 5000 (oder früher) bis 2500 v.d.Z. (Ende der Feucht- und Beginn einer neuen Trockenperiode) in Frage.

Die Zeichnungen lassen darauf schliessen, dass ein entscheidender Kulturschritt erfolgt ist. Dafür spricht die Art, wie die Hörner der Tiere kunstvoll verziert sind. Zwischen den Hörnern werden Stangen befestigt, die an den Enden verzweigt sind. Sie scheinen praktischen Zwecken gedient zu haben und wurden vielleicht zum Tragen von Waren und Geräten verwendet. Einige Tiere sind mit Sätteln (mit Griffen zum Halten), Satteldecken oder Tragkörben ausgerüstet. Die Menschen sind keine Nomaden mehr, sondern Hirten, die mit ihrer Habe von einem Weideplatz zum anderen ziehen, ähnlich wie die Menschen in den europäischen Breitengraden die Sömmerung betrieben haben.

Auf anderen Darstellungen kann man sehen, dass neu geborene Kälber durch die Nabelschnur mit der Plazenta verbunden sind. Die Menschen müssen ausgezeichnete anatomische und biologische Kenntnisse besessen haben, die für Rinderzüchter aber auch eine Selbstverständlichkeit gewesen sein dürften.

Die Konsequenzen davon sind auf den Bildwiedergaben zu sehen. Die Lebensverhältnisse werden jetzt soweit beherrscht, dass der Blick sich von Stil- und Detailfragen (das heisst von der Abbildung der tierischen Körperform) ab- und den praktischen Fragen des Alltags zuwenden kann. Die Herden waren der Reichtum der Hirten, auch deren Stolz, was am Aufwand zu erkennen ist, mit dem die Tiere geschmückt sind und in den Felszeichnungen vorgeführt werden.

Eine offene Frage bei alledem bleibt, woher die Menschen gekommen sind, die sich mit ihren Herden in der Wüste (die damals keine war) verewigt haben.

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