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Der moderne Künstler als Produzent und Global Player
Maskenmensch auf Elefant reitend
Ausschnitt ca. 107 x 195 cm
Wadi Meseknan

Oben: Umzeichnung
Unten: Freistellung

Die Felszeichnungen im Messak-Gebirge haben eine Aussagekraft, die ausserordentlich ist. Sie können ebenso als archäologische und historische wie als symbolische Bildsprachen und formale Gestaltungslösungen gelesen werden. In den verschiedenen Möglichkeiten der Annäherung und Lektüre liegt die Faszination, die von ihnen ausgeht.
Unsere Absicht besteht darin, sie in einen grösseren künstlerischen und ästhetischen Rahmen zu stellen.

Das Verhältnis von Kultur und Raum eröffnet Einsichten, die in Zukunft nicht mehr übersehen werden können. Kultur war bisher stets an einen bestimmten Ort und Raum gebunden. Heute treten die alten und fremden Kulturen auf die Bühne der Weltkunst und beginnen einen Dialog mit der Kunst aus anderen Ländern, was auch im umgekehrten Sinn gilt.
Verbindungen und Parallelen werden auf diese Weise sichtbar, Reaktionen möglich und übergeordnete Sprachen absehbar.

Künstler wie Pablo Picasso, Paul Klee, A. R. Penck haben sich von fremder, aussereuropäischer oder Ethno-Kunst anregen lassen. Louis Soutter war ein Art-brut-Künstler, der einfache Formen verwendete, die an primitive Kunst denken lassen. Auch bei Keith Haring können Verwandtschaften mit der afrikanischen Felskunst festgestellt werden, selbst wenn es sich dabei bloss um eine äusserliche Übereinstimmung handeln sollte. Bekannt ist in der Kunstgeschichte der Einfluss der afrikanischen Plastik auf den Kubismus. Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel stellt Werke der klassischen Moderne in einen Dialog mit Plastiken aus Afrika. Andere Künstler, wie etwa der Schweizer Maler Frank Buchser, sind in die Fremde gegangen auf der Suche nach neuen Motiven und Ausdrucksmöglichkeiten.

Durch die Augen moderner Künstler können mit einem Mal die prähistorischen Felszeichnungen aus dem Messak-Gebirge in ihrer zeitlosen künstlerischen Bedeutung erkannt und begriffen werden.

Bisher war es umstritten, primitive, archäologische beziehungsweise ethnologisch verstandene Kunst in einen interkulturellen Dialog zu stellen. Dabei wurde von der Überlegung ausgegangen, dass Kunst oder das, was wir heute so bezeichnen, nicht beliebig in andere Kulturräume übertragen werden kann, sondern in einem örtlich begrenzten Rahmen betrachtet werden muss. Ausserdem wurde argumentiert, dass Schöpfungen, die wir mit unseren Begriffen als Kunst bezeichnen, in vielen Teilen der Welt ursprünglich mit ganz anderen Absichten, zum Beispiel religiösen, geschaffen wurden und daher eine bestimmte, unverwechselbare Funktion im Gemeinschaftsleben der Völker ausgeübt haben.

Seit die Welt globale Masse angenommen hat und eine immer weitergehende Vernetzung stattfindet, die Welt also zusammenrückt und immer mehr Menschen von immer mehr anderen Menschen wissen, scheint es angebracht, die streng begrenzte Sichtweise auf die Kunst zu lockern.

Es hat sich gezeigt, dass über das Formale und Ästhetische ein Zugang zu fremden Kulturen leicht, oder leichter als unter anderen Umständen, hergestellt werden kann. Seit der Documenta 2002, an der Kunstwerke aus allen Teilen der Welt in einem neuen Kontext und grossen Konzert mit vielen solistischen Stimmen vereint worden sind, verlieren die früher gemachten Einwände an Gewicht.

Die Stellung des Künstlers muss in der modernen Gesellschaft von heute anders gesehen werden als vor 50 oder auch nur 20 Jahren. Er versteht sich nicht mehr als ein auf die enge Heimat bezogener lokaler Schöpfer, der seinen Gedanken nachgeht, sondern als Macher, als Produzent, der in einem unternehmerischen Sinn tätig ist. Dazu gehört auch, dass er über die Kunst in allen Teilen der Welt Bescheid weiss, selber in der Welt reist und Erfahrungen an fremden Orten sammelt. Diese erworbenen Eindrücke und Einflüsse bezieht er in sein Werk ein.

Dass Schweizer Künstler heute Ateliers in Paris, New York, Kairo, Bamako und anderen Orten für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt erhalten, ausländische Künstler umgekehrt zu einem Aufenthalt in die Schweiz oder nach Europa eingeladen werden, belegt, für wie wichtig solche Formen und Möglichkeiten des geistigen und kreativen Austauschs angesehen werden.

Weltoffenheit und Weltbezogenheit bilden heute einen integrierten Aspekt jeder Kunstausübung.

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