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Was Frauen sehen, aber nicht hören dürfen – Die Künstlerin Khadija Elferjani
Khadija Elferjani
Geboren 1975, lebt und arbeitet in Tripolis.


Ausdruck für einen Zustand der Entspannung, 2005
Gouache auf Papier, 35 x 49 cm

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Eine 33-jährige Frau zeigt uns ihre Bilder. Sie hat 1999 ihre Ausbildung beendet und arbeitet in einem winzigen Raum zu Hause. Beharrlich setzt sie sich durch. Khadija Elferjani hat ihre Werke bisher noch nirgends zeigen können, aber das wird garantiert noch kommen.

Künstlerisch tätig zu sein, ist in Libyen nicht ganz alltäglich. Für eine Frau ist es noch weniger der Fall, obwohl es Anzeichen gibt, dass sich die Dinge im Begriff sind zu ändern. In Tripolis gibt es die Art School Zawiat Dahmani und die Academy of Graduate Studies. Während die Studierenden in der Akademie eine Ausbildung machen, um abschliessend einen Titel zu erhalten, steht in der Art School die praktische Ausbildung im Vordergrund. Die junge Lehrerin Mufida Abuajila Kriem erteilt während des Semesters drei Stunden Unterricht am Tag. Frauen belegen den überwiegenden Teil ihrer Kurse, Männer einen verschwindend kleinen. Das Verhältnis liegt bei 90 zu 10 Prozent. Am Schluss der Ausbildung steht nicht unbedingt eine künstlerische Laufbahn, sondern eher eine berufliche Tätigkeit zum Beispiel im grafischen Bereich.

Khadija Elferjani verbindet auf eine überraschende und beeindruckende Art Elemente ihrer Kultur, Anliegen der Frau und afrikanische Motive miteinander zu einem farbig leuchtenden und symbolisch vielfältigen Werk. Der libysche Künstler Ali Ezouik erkennt in ihrem Werk drei Einflüsse: Schrift (im Islam wichtig), die Art, wie die Frauen im Orient sich bemalen, und drittens Elemente aus dem Volksleben wie zum Beispiel Amulette oder Kacheln in den Häusern, jedoch ohne deswegen auch nur andeutungsweise in eine folkloristische Kunst abzugleiten. Alles ist auf eine inspirierte Weise umgesetzt in malerischen Ausdruck. Motive der Felsenkunst treten hervor und werden wie eine Zeichensprache aufgenommen; das Rad ist ein Zeichen für Wüstengräber; astrologische Ideen kommen vor. Die Linien in ihren Bildern, die an die Sternzeichen erinnern können (und sollen), veranschaulichen für Khadija Elferjani Verbindungslinien und verwandtschaftliche Beziehungen, die zwischen Familien, Clans und Stämmen bestehen, und damit in einem übergeordneten Sinn die Bande, die das Leben zusammenhalten. Starke Farben mit einer emotionalen Wirkung dominieren: Grün, rot, braun, die mit dem afrikanischen Kontinent assoziiert werden. Gelb verkündet die Kraft des Lichts.

Immer wieder stösst man auf Bildelemente, die auf die traditionelle libysche Wohnung, zum Beispiel in Ghadames, hinweisen. Auf einem ihrer Werke, das sie uns ausführlich erklärt hat, kann man die Umrisse eines Gesichts erkennen. An den Ohren hängen Schlösser. Es sind die Schlösser an den Türen der traditionellen Wohnungen. Mit diesem Schloss-Motiv will Khadija Elferjani aber ausdrücklich und in einer assoziativen Sprache auf die Stellung der Frau in der libyschen Männergesellschaft hinweisen und aufzeigen, dass es Dinge gibt, „die Frauen nicht hören dürfen“.
Beeinflusst worden ist Khadija Elferjani unter anderem auch von den Büchern des libyschen Schriftstellers Ibrahim al-Koni, in denen das Leben und Denken der Tuareg im Mittelpunkt steht.
Alle diese Einflüsse verarbeitet und verbindet sie zu einem Werk, das in hohem Grad ansprechend und zugleich in einzigartiger Weise künstlerisch gestaltet ist. Es weicht von der Kunst auf den internationalen Kunstmärkten markant ab, bewahrt aber umso mehr seine selbstbewusste und eigenwillige Haltung.