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Felskunst in der Sahara
Frauen mit Tänzer und Herde
194 x 225 cm (Umzeichnung, aufgeklappt)
Wadi Taleschout, Messak Mellet

Das Messak-Plateau im Südwesten Libyens beherbergt in seinen zum Teil flachen Steinwüsten, zum Teil eingeschnittenen, oft weit abgelegenen Tälern eine Fülle von Felszeichnungen und Felsmalereien, die zum Welterbe der UNESCO gehören. Diese prähistorischen Kunstwerke werden meistens aus archäologischer Sicht gewürdigt. Unser Vorhaben ist es, sie in einen grösseren künstlerischen und ästhetischen Kontext zu stellen.

Im Messak-Massiv im Südwesten Libyens sowie ausserdem im Hoggar-Gebirge (Tefedest) und im Tassili `N` Ajjer (Oued Djerat) im Südosten Algeriens sind neben Felsmalereien einzigartige und berühmte Felszeichnungen erhalten, wie sie in dieser Dichte, Qualität und Reichhaltigkeit kaum anderswo auf der Welt anzutreffen sind. Sie figurieren im World-Heritage-Verzeichnis der Unesco.

Das Massiv wird geografisch in Messak Settafet (schwarzer Messak) und Messak Mellet (weisser Messak) eingeteilt. Es wird von den Orten Germa oder Ghat aus mit Geländefahrzeugen und in Begleitung libyscher Führer erreicht.

Anders als Felsmalereien, bei denen Farbe auf den Felsen aufgetragen wird, sind Felszeichnungen in den Stein graviert, geschlagen und eingeschliffen. Felszeichnungen sind überwiegend im Messak-Massiv zu finden, Felsmalereien im Akakus-Gebirge. Unsere Aufmerksamkeit gilt vor allem den Felszeichnungen.

Es kommt häufig vor, dass verschiedene Zeichnungen übereinander (oder durcheinander) auf der gleichen materiellen Unterlage, dem Felsen, liegen. Es ist daher oft schwierig, die Bildelemente auseinander zu halten und zu bestimmen, welche von ihnen zu welcher Einheit gehören. 

Felszeichnungen können durch Fotos, Abriebe und Umzeichnungen dokumentiert werden.
Weitere Informationen unter "Hinweise zur Dokumentation".

Es handelt sich bei den Felszeichnungen um einzigartige kulturelle Zeugnisse, von denen einzelne bis zu 12‘000 Jahre alt sind. Sie sprechen dafür, dass die Wüste zu verschiedenen Zeiten, je nach den sich ändernden klimatischen Verhältnissen, besiedelt war.

Es scheint, dass die ersten Menschen vor 20'000 Jahren in die heutige Sahara drangen. Es waren Jäger und Sammler, die im Verlauf der Zeit damit begannen, Tierbilder in Felsen zu zeichnen. Bis vor 4'500 Jahren herrschte ein feuchtes Klima, das die Rinderzucht begünstigte, danach scheint eine Trockenzeit eingesetzt zu haben, die dem Hirtenleben ein Ende bereitete und dazu führte, dass die Menschen andere, fruchtbarere Gegenden aufsuchten. Erst vor etwa 3'000 Jahren waren die klimatischen Bedingungen wieder für eine Besiedlung geeignet, und die Menschen liessen sich erneut in diesen Gebieten nieder. 

Die Sahara war also in der Vergangenheit kein „leeres Viertel“, wie ihr heutiger Zustand vermuten lässt. Für viele Menschen nimmt die Wüste mit ihren weiten Ausblicken indessen die Bedeutung eines Denkraums und eines Orts der Selbstkonfrontation und der Besinnung ein. Sie stellt eine Quelle der Inspiration dar. Tatsächlich aber ist die Sahara immer wieder besiedelt gewesen, vielleicht sogar dichter, als wir denken, wenn man an die Häufigkeit der Felskunst denkt.

Nach Joachim Willeitner („Libyen“,  Ostfildern 2006) werden in der Sahara-Felskunst (Zeichnungen und Malerei) folgende Epochen unterschieden:

12‘000 bis 6'000 v.d.Z.: Bubalus-Zeit, Periode der frühen Jäger.

7'000-6'000 v.d.Z.: Rundkopfzeit, Menschendarstellungen, bei denen der Kopf als runde Form direkt auf dem Rumpf aufsitzt.

5'000-2'500 v.d.Z. Rinderzeit, einsetzende Feuchtperiode, domestizierte Haustiere, Jagd.

1'500 bis zur Zeitwende: Pferdezeit.  Nach einer vorübergehenden  Trockenzeit, die die Menschen zum Verlassen der Region zwang, kehren die Siedler wieder zurück.

Zeitwende bis zur Gegenwart: Kamelzeit. Felsbilder, auf denen das Kamel zu sehen ist, das seit dieser Zeit das Pferd abgelöst hat.

Auf den Felszeichnungen sind auch Szenen aus dem praktischen täglichen Leben und die Wiedergabe von Geräten aller Art zu sehen. Auch eindeutig sexuelle Darstellungen kommen vor. Ausserdem sind abstrakte Zeichen anzutreffen, zum Beispiel Spiralen.

„Die Bilder der Wildtierperiode werden häufig mit religiösen oder magischen Vorstellungen in Zusammenhang gebracht. Solche Interpretationen sind nicht durch entsprechende Kenntnisse dieser alten Kultur abgesichert, auch nicht durch die Analyse der Felsbilder selbst, sondern müssen einstweilen als reine Spekulation betrachtet werden“ (Karl Heinz Stierle, Der Brockhaus in Text und Bild, 2002).

Die Schwierigkeiten der Motivbestimmung hat unter anderem damit zu tun, dass die Menschen in der Vergangenheit die Realität nicht sahen, wie wir sie heute sehen, und dass sie in geografischen Räumen lebten, in denen der Kontakt untereinander nicht gross gewesen sein konnte. Es konnte also weder eine gemeinsame gestalterische Vorstellung noch überhaupt so etwas wie eine einheitliche Kunstauffassung geben. Das erschwert die Erforschung der Motive.

Trotzdem würden wir nichts lieber wissen als was die Schöpfer dieser Werke gedacht haben. Aber dem sind Grenzen gesetzt. „Wir werden diese Bilder vermutlich nie völlig entschlüsseln können“, schreiben David Coulson und Alec Campbell.

Was für Paläontologen bei der Klassifikation der Motive von Ausschlag gebender Bedeutung ist und worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten, geht andererseits kaum auf die ausserordentliche Bildgestaltungskraft und das unglaubliche Abstraktionsvermögen ein, obwohl die eine wie das andere von einem heutigen künstlerischen Standpunkt aus bemerkenswert ist. Hier gibt es noch einiges zu sagen.

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